Kulturwandel

Verändern mit Werten

Können Werte einen Change-Prozess befeuern oder steuern? Wenn in einer Organisation grundlegende Veränderungen anstehen, dann wird in der Regel auch eine Kulturveränderung und mit ihr ein Wertewandel gefordert. Doch es ist nicht sicher, ob Veränderungen im Handeln tatsächlich auf Veränderungen im Wertesystem zurückzuführen sind. Es ist auch nicht klar, ob Menschen und Organisation einen Wertekanon miteinander teilen können und wie sich die individuellen Werte und die Werte einer Organisation zusammenführen lassen. Wer die Widersprüche beim Wertemanagement sieht und Methoden entwickelt damit umzugehen, wird hingegen Wertzuschreibungen wirksam einsetzen können.

 Werte stehen in heftigem Wettbewerb 

Um zu verstehen, welche Kräfte Handlungen beeinflussen, reicht es nicht, sich auf Werte zu beschränken. Denn sie stehen nicht nur im Wettbewerb mit Zweckmäßigkeitsüberlegungen, sondern auch mit Trieben, Affekten und Gefühlen, mit Gruppendynamiken, mit Gewohnheiten, Normen, Regeln und Gesetzen. Sie können sich deshalb nur dann durchsetzen, wenn man sie über den gesamten Veränderungsprozess hinweg systematisch einbindet und unterstützt. Auf sich alleine gestellt haben sie nicht die Kraft, um einen Veränderungsprozess voranzutreiben.

 Ein Wertekanon benötigt einen Aushandlungs- und Umsetzungsprozess 

Werte wirken mittelbar, kontextabhängig und bedürfen zusätzlicher Antreiber. Wer sie als Steuerungsinstrument nutzen will, muss sie

  • • in einen nachvollziehbaren Zusammenhang stellen,
  • aushandeln,
  • sinnvoll konstruieren,
  • • für die Praxis interpretieren und ausgestalten und
  • • im operativen Alltag vorleben.

Anfangs müssen vor allem die Zusammenhänge, aus denen sich die Notwendigkeit zum Wandel ergibt, nachvollziehbar dargelegt werden. Es muss deutlich werden, welche Ursachen ein solcher Prozess hat und welche Auswirkungen ein Wandel haben würde.

Nach der Situationsanalyse und der Herleitung der Notwendigkeit für einen Wertewandel muss der Prozess der Aushandlung starten. Er besteht im offenen Austausch von Meinungen, die Integration von abweichenden Positionen und der Umgang mit nicht kompatiblen Meinungen.

 Werte wirken nur in sinnvollen Zusammenhängen 

Das Ergebnis des Aushandlungsprozesses muss dokumentiert werden. Hierzu eignet sich ein Leitbild. Ein Leitbild muss allerdings einen schlüssigen Rahmen bieten, der über Sinn und Unsinn von Wertzuschreibungen entscheidet. Dieser sinngebende Rahmen wird durch die im Leitbild zum Ausdruck gebrachte Vision und die Mission geschaffen. Die Vision entspricht der zu klärenden Zielvorstellung, die Mission den Mitteln, die es ermöglichen, das Ziel zu erreichen. Die Werte dienen als Wächter für die Kongruenz von Vision und Mission und der Zuspitzung der Organisationskultur auf wenige, nachvollziehbar und umsetzbare Begriffe.

 Werte bedürfen der Ausgestaltung 

Werte alleine helfen nicht hinreichend in allen Lebenslagen, auch nicht als Bestandteil eines ausführlicheren Leitbildes, das Werte in ein Zielsystem einbindet. Werte bedürfen der Interpretation und weiteren Ausgestaltung. Auf der Arbeitsebene müssen handlungsrelevante Entscheidungen getroffen werden. Die erforderlichen Entscheidungen fließen ein in Subkonzepte, Leitlinien, „Codes of Conduct“, „Do’s & Don’ts“ und vieles mehr. Erst durch solche Auslegungen und Umsetzungen werden Wertzuschreibungen wirksam.

 Werte müssen gelebt werden 

Strategien zu entwickeln, Dokumente zu schreiben, Prozesse festzulegen ist aufwendig und unterstützt die Werteimplementierung. Aber um Menschen mit ihren eigenen Wünschen und Motiven zu erreichen, zu überzeugen und mitzunehmen, bedarf es eines weiteren Schrittes. Jede Veränderung innerhalb einer Organisation führt zu Widerständen. In einer solchen Phase eines Veränderungsprozesses spielt der neu entwickelte Wertekanon eine maßgebliche Rolle. Er dient allen Betroffenen als Gradmesser für die Glaubwürdigkeit des gesamten Prozesses. Wenn die Führung im Sinne der neuen Wertewelt agiert, können sich Veränderungen in der Organisation durchsetzen. In dieser Phase des Veränderungsprozesses haben es die Verantwortlichen in der Hand, die Einhaltung des Wertekanons vorzuleben und über ihre Vorbildfunktion in der Organisation zu implementieren. Oder um mit Viktor Frankl zu sprechen: „Werte kann man nicht lehren, sondern nur vorleben."

Werte mögen weniger Einfluss auf das menschliche Handeln haben als Gewohnheiten oder Emotionen. Sie lassen sich nicht einfach ins tägliche Handeln überführen, sondern ihr Einfluss muss immer erst noch weiterführend bestimmt werden. Was wie eine Schwäche wirkt, ist aber in Wirklichkeit eine Stärke. Denn Werte können verhandelt, beschlossen, festgehalten, interpretiert, vorgelebt, umgesetzt, überprüft und dauerhaft im Gespräch gehalten, mit anderen Worten: gemanagt werden. In der Summe dieser Eigenschaften sind Sie als Steuerungselement für Veränderungsprozesse und die Gestaltung der Unternehmenskultur unverzichtbar.