Kulturwandel

Hype um den „Purpose“

Das Kommunikationsinstrument „Purpose“ zielt auf die Identifikation und Kommunikation eines gesellschaftlichen Nutzens. Ist das sinn-voll? Oder nur eine hilfreiche Facette zeitgemäßer Unternehmenskommunikation?

 „Purpose“ macht Sinn 

Viele, insbesondere große Unternehmen werben mittlerweile mit einem Unternehmens-Purpose für sich und wollen dadurch Mitarbeiter*innen, Partner*innen, Lieferant*innen und Kund*innen für sich einnehmen. Google „organisiert die Informationen der Welt“, SAP hilft, dass die Welt besser funktioniert und sich das Leben der Menschen verbessert, und die Post will „Menschen verbinden, Leben verbessern“. Solche Aussagen klingen auf den ersten Blick vermessen. Aber sie sind erfolgreich. Das Buhlen um die Gunst der Zielgruppen erhält durch einen Purpose deutlich Rückenwind.

Schon kursieren Zahlen über erhöhte Umsätze von Unternehmen mit Purpose im Vergleich zu Unternehmen ohne. Die Erklärung dafür: Menschen suchen auch in ihrem beruflichen Tun einen Sinn, der über den blanken Broterwerb hinausreicht. Unternehmen, die einen Purpose kommunizieren, bieten diesen Sinn ... anscheinend.

Richtig neu ist es nicht, was sich hinter dem Management-Instrument „Purpose“ verbirgt. Ob Claim oder Markenkern, ob Leitbild oder Mission Statement: All diese Kategorien aus dem Ideen-Reich des Corporate Brandings kommunizieren die für einen Purpose typischen Inhalte, sobald sie sich ausdrücklich auf ein gesellschaftliches Bedürfnis beziehen. Aber häufig wird der Begriff „Purpose" auch als Ersatzbegriff für einen Unternehmensnutzen frei von gesellschaftlichen Bezügen verwendet. Dies ist in der englischsprachigen Fachliteratur so üblich, hier aber nicht gemeint.

 Eine Gesellschaft im Krisenmodus verlangt nach Erklärungen 

Genau genommen kann man von Unternehmen nicht verlangen, sich zuallererst über einen Purpose Gedanken zu machen. Letztlich müssen sie Gewinne erwirtschaften. Wenn sie das nicht schaffen, hilft auch kein Purpose. Aber diese Haltung zielt an der kommunikativen Wirklichkeit vorbei. Denn Unternehmen stehen unter Legitimationsdruck für ihr Handeln, insbesondere in krisenbehafteten Zeiten. Es wird von ihnen verlangt, dass sie sich gegenüber der Gesellschaft deutlich positionieren. Weil es verlangt wird, müssen gescheite Formulierungen her. Die hat es zwar bereits vor der Erfolgswelle des Purpose gegeben, aber sie wurden noch nie so deutlich wie mit Hilfe eines Purpose kommuniziert.

 Ein gutes Gewissen für Mitarbeiter, Partner und Kunden 

Der Purpose dient dabei nicht als kommunikative Allzweckwaffe, sondern als ein Werkzeug für bestimmte Formen der Imagewerbung. Untersuchungen haben ergeben, dass in Deutschland jeder Vierte unzufrieden ins Büro geht. Ob hier ein Purpose zu besseren Zahlen führt, muss erst noch bewiesen werden. Aber wenn Unzufriedenheit sich aus dem Eindruck speist, die eigene Arbeit sei sinnlos, dann liefert der Purpose eine entlastende Antwort. Nicht jeder Mensch findet seine Erfüllung darin, etwas gesellschaftlich Erwünschtes zu tun. So mancher freut sich auch darüber, einfach nur Spaß zu haben. Aber zu wissen, dass man – wenn auch nur als kleines Rad einer großen Maschinerie – daran beteiligt ist, der Gesellschaft einen Dienst zu erweisen, bereitet vielen ein gutes Gefühl. Wer will das bezweifeln?

Nicht jedes Unternehmen hat es leicht, einen Purpose zu definieren. Je diversifizierter ein Unternehmen, desto schwieriger der Versuch, das gesellschaftlich Zweckmäßige im unternehmerischen Handeln zu erkennen. Unternehmen, die Investitionsgüter herstellen, von denen die Gesellschaft auf den ersten Blick nichts hat außer Arbeitsplätze, dürften es ebenfalls schwer haben. Wer Getriebe baut statt Autos, wer chemische Grundstoffe herstellt statt Textilfasern, wer von kleinsten Kursschwankungen im elektronischen Handel profitiert statt das Geld der Sparer gewinnbringend anzulegen, der hat es schwer, einen Purpose zu kultivieren. Auch werden sich Unternehmen, die sich im Krisenmodus befinden, schwertun, den Purpose auf der täglichen Agenda nach oben zu schieben.

 Gemeinnützige Organisationen werben selten mit ihrem Purpose 

Besser passt die Kommunikation eines Purpose zu Organisationen, für die Gewinnmaximierung keine Rolle spielt. Gemeint sind Verwaltungen, Versorgungs-, Bildungs- und Forschungseinrichtungen, kulturelle Institutionen oder Nichtregierungsorganisationen, zusammengefasst als gemeinnützige Institutionen. Diesen wird es nicht schwerfallen, einen Purpose, einen gesellschaftlichen Zweck anzugeben. Nur neigen sie nicht dazu, damit zu werben.

Das ist aus zwei Gründen ein Fehler. Auch in gemeinnützigen Organisationen arbeiten Menschen, die mit ihrer beruflichen Situation nicht zufrieden sind. Auch Krankenhäuser suchen Personal, Grundschulen benötigen Direktoren, Museen fähige Ausstellungsmacher, Wasserversorger gute Werbeleiter und Arbeitsämter kenntnisreiche Vermittler. Warum eigentlich werben diese Organisationen nicht mit ihrem inhärenten Purpose um alte und neue Mitarbeiter*innen, um die Sympathien der Kund*innen, Patient*innen und Besucher*innen und auch um gesellschaftlichen Respekt? Es spricht nichts dagegen es zu versuchen.

 Themenfeld „Purpose“ darf nicht Unternehmen überlassen werden 

Darüber hinaus aber könnten gemeinnützige Organisationen ein verrutschtes Bild von der Aufgabenverteilung innerhalb einer Gesellschaft gerade rücken. Bibliotheken, Bildungs- und Forschungseinrichtungen und Museen sollten es nicht Google überlassen, „die Informationen der Welt zu organisieren“. Nicht die Post verbindet Menschen, sondern der öffentliche Personennah- und -fernverkehr. Wir sollten auch nicht ernsthaft darauf vertrauen, dass SAP unser Leben verbessert. Dann doch lieber der Arbeitsagentur, der Polizei, dem Forschungsinstitut oder dem Konzerthaus.

Sicherlich ist es richtig, dass auch Unternehmen den eigenen Platz in der Gesellschaft reflektieren, behaupten und damit werben. Aber öffentliche oder gemeinnützige Organisationen, die diesen Purpose ohnehin im Blut haben, sollten das Themenfeld des gesellschaftlichen Nutzens selbstbewusst verteidigen und deshalb besser kommunizieren.

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