Kulturwandel

Politische Statements im Leitbild?

Museen werden auch von Menschen besucht, die der freiheitlichen Grundordnung, dem Rechtsstaat oder den Menschenrechten ablehnend gegenüberstehen. Solange sie sich im Museum nicht politisch äußern, fällt dies nicht weiter auf. Aber Museen verstehen sich heutzutage auch als Foren und nicht nur als Tempel. Die stille Kontemplation wird ergänzt durch den offenen Meinungsaustausch. Dadurch wächst die Gefahr, dass Menschen mit einer politisch zersetzenden Haltung diese auch im Museum offenlegen. In solchen Situationen kommt es darauf an, gut vorbereitet zu sein. Hilfe bieten hier beispielsweise die Mobilen Beratungsteams in den einzelnen Bundesländern an

Aber reicht eine gute Vorbereitung z. B. durch eine klare Hausordnung, einen Verhaltenskodex und Trainings für Mitarbeitende aus, um sich zu schützen? Sollten sich Museen nicht, noch bevor es zu Vorfällen kommt, gegen die Anmaßungen insbesondere von Rechts deutlich positionieren und deshalb ihre Haltung auch in ihr Leitbild aufnehmen? Es mag übertrieben defensiv klingen, aber: Nein, das sollten sie nicht. Dafür gibt es gute Gründe.

 Die Funktion eines Museums-Leitbildes lässt ein politisches Statement nicht zu 

Denn ein Leitbild ist ein strategisches Quelldokument, das sich an Herkunft und Zukunft, an den Kompetenzen und Fertigkeiten, an den aktuellen und künftigen Bedürfnissen der Menschen ausrichtet und den Weg in die Zukunft beschreibt. Der Umgang mit politischen Extremisten gehört nicht dazu. Er ist nicht Bestandteil der Museumsidee und in der Regel auch nicht des Tagesgeschäfts, sondern eine Ausnahmesituation. Ein Leitbild bezieht sich auf die Regel, nicht auf die Ausnahme.

Leitbilder benennen auch Haltungen, meistens in Form von Wertvorstellungen. Solche Wertvorstellungen scheinen in den Bereich des Politischen hineinzureichen. Aber nur, wenn man nicht deutlich zwischen kulturellen, sozialen und politischen Aufgaben unterscheidet. Sicherlich überschneiden sich diese Bereiche. Politisches ist auch Soziales, Kulturelles ist auch Politisches. Aber zuerst einmal befasst sich Politik mit der Steuerung eines Gemeinwesens, mit Machtverhältnissen und mit der Willensbildung. Diese Aufgaben gehören nicht zu denen eines Museums … und deshalb auch nicht ins Leitbild.

Es ließe sich einwenden, dass (Kultur-)politik sich doch auch mit Museen befasse und die Trennung von Kultur und Politik deshalb an der Realität vorbeiziele. Aber: Nur weil es einen politischen Bereich gibt, der sich mit Museen befasst, gehören politische Aussagen – im Umkehrschluss – noch nicht in ein Museumsleitbild. Kulturpolitische Aussagen beziehen sich auf alle Museen, nicht auf ein einzelnes. Ein Leitbild hingegen nimmt die Aufgaben eines einzelnen Museums in den Blick.

 Ein politisches Leitbild wäre für ein Museum zersetzend, nicht stärkend 

Sollte sich ein Museum dennoch für ein politisches Statement im Leitbild entscheiden, dann lenkt es damit von der Kernaufgabe des Museums ab. Denn ein Leitbild ist ein Zieldokument mit Auswirkungen auf die konkrete Museumsarbeit. Eine politische Formulierung, die am Kerngeschäft des Museums vorbeiführt, bürdet den Mitarbeitenden zusätzlich zu ihrer Museumsarbeit die Verantwortung auf, unsere Gesellschaft politisch zurechtzurücken. Das führt schnell zu Unverständnis, Abwehrhaltung und Überlastung.

 Museen können nicht zu allem Stellung beziehen 

Ob von Rechts oder von Links: Populismus und Extremismus bedrohen unser Gemeinwesen. Widerstand gegen die Verächter der Demokratie ist aber nicht höher zu bewerten als der Kampf gegen Klimawandel, Ungleichheit, Kolonialismus, Kriege und vieles mehr. Ein Museum, das sich im Leitbild politisch äußert, wird bald schon erklären müssen, warum es nicht auch soziale, ökologische oder kulturelle Themen aufnimmt. Die Begründung dafür dürfte unbefriedigend ausfallen.

 Leitbilder lassen politische Äußerungen zu 

Selbstverständlich kann sich ein Museum mit einem politisch neutralen Leitbild auch politisch äußern. Durch Pressemitteilungen, in Begleitdokumenten zum Leitbild, auf Veranstaltungen. Allerdings wird ein Museum, das häufig mit Bekenntnissen zu Demokratie, Verfassung und Menschenrechten in Erscheinung tritt, diejenigen Menschen, die davon nichts wissen wollen oder tatsächlich undemokratisch gesinnt sind, eher nicht erreichen. Wahrscheinlich ist allerdings der Beifall durch die „eigenen“ Leuten. Nicht, dass dies nicht auch wichtig wäre. Aber wenn das Ziel solcher Äußerungen darin besteht, Andersdenkende zu überzeugen, dann ist mit einer Überpolitisierung der Museumsarbeit nichts gewonnen.

Das, was Museen leisten, dient auch ohne politisiertes Leitbild der Demokratie. Denn Museen sind von sich aus „objektiv“, neugierig, offen für Abweichendes, respektvoll und partizipativ. Dies ist ihre DNA, nicht erst, aber verstärkt seit der Überarbeitung der ICOM-Museumsdefinition. Museen sind mit der Erfüllung ihrer ureigendsten Aufgaben ein Gegenmodell für Populismus und Extremismus. Ein Gegenmodell zu vereinfachtem Denken, Schüren von Angst und Hass, autoritärem Gehabe und destruktiven Haltungen. Ausdrückliche politische Bekenntnisse in Leitbildern aber würden ein Museen letztlich sogar daran hindern, glaubwürdig und nachhaltig zu einer besseren Gesellschaft beizutragen.